Als pädagogische Fachkraft hast du bestimmt schon von der Waldorfpädagogik gehört, einem pädagogischen Konzept, das der Reformpädagogik zuzuordnen ist. Neben Waldorfschulen gibt es zahlreiche Waldorfkindergärten, die nach dem ganzheitlichen Ansatz arbeiten und die individuelle Förderung der Kleinen durch Sinneserfahrungen, einen künstlerisch-musischen Schwerpunkt und Naturerleben ermöglichen. Das Waldorf-Konzept bietet auch Einrichtungen, die keine Waldorfkindergärten sind, viele Möglichkeiten, um die pädagogische Arbeit mit den Kindern zu bereichern.

Was diesen Ansatz ausmacht, weshalb Erzieherinnen und Erzieher ihn schätzen und wie du dich hier weiterbilden kannst, erfährst du im Folgenden!

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Das Waldorf-Konzept kurz erklärt

Was ist Waldorfpädagogik?

Die Waldorfpädagogik stellt die ganzheitliche Entwicklung der Kinder in den Mittelpunkt, bei der nicht nur intellektuelle Fähigkeiten eine Rolle spielen, sondern auch künstlerische, handwerkliche und soziale Kompetenzen gefördert werden. 

Begründer der Waldorfpädagogik ist der österreichische Philosoph und Pädagoge Rudolf Steiner. Er entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts eine eigene, spirituelle Sicht auf die Welt und begründete so 1910 die Anthroposophie, die seine Weltanschauung, sein Menschenbild und seine eigens entwickelten didaktischen Methoden und Leitlinien vereint. Ein wichtiger Teil dieser Weltanschauung macht das Bild der dreigliedrigen Gesellschaft aus, bei der eine Balance zwischen geistig-kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten angestrebt wird. Auf dieser Weltsicht aufbauend entwickelte er schließlich um 1920 die Waldorfpädagogik, ein Konzept, das er für die Betriebsschule der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik erarbeitete, die erste Waldorfschule.

In der Waldorfpädagogik im Kindergarten und bei der Erziehung spielt vor allem das Konzept der Dreigliederung des Menschen eine zentrale Rolle: Die Elemente Kopf (Denken), Herz (Fühlen) und Hand (Handeln) greifen ineinander. Kreativität, Bewegung, Naturverbundenheit und aktives Erleben durch eigene Sinneserfahrungen sind wichtig in Waldorf-Kindergärten.

Was sind die Ziele der Waldorfpädagogik?

Die Waldorfpädagogik wurzelt in der anthroposophischen Bewegung. Sie hat die individuelle Förderung des Einzelnen mit seinen Fähigkeiten und Begabungen zum Ziel. Kinder sollen in einer geschützten Umgebung lernen und aufwachsen und dabei Geborgenheit und Selbstwirksamkeit erfahren dürfen. Auf diese Weise können die Kinder schon in frühen Jahren auf ein festes Fundament bauen, das ihnen langfristig hilft, Selbstvertrauen aufzubauen und ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln, um spätere Herausforderungen mutig anzugehen, schwierige Lebenssituationen zu meistern und eigene Ideen zu verwirklichen.

Waldorfpädagogik: Grundsätze und Methoden

  • Lernen durch Nachahmung: 
    Steiner war der Auffassung, dass Kinder in den ersten Lebensjahren vor allem durch Nachahmung lernen – entsprechend wichtig sei es, dass die Erzieherinnen und Erzieher als Vorbild agieren. Kinder sollen anhand sinnvoller Tätigkeiten, die aus einem bestimmten Zweck erfolgen (nicht aus reinem Selbstzweck) lernen können, die sie bei ihren Bezugspersonen beobachten.
  • Struktur: 
    Ein fester Tagesablauf mit wiederkehrenden Aktivitäten bietet den Kindern Struktur und Orientierung. Wiederholungen von festen Abläufen im Kindergarten-Alltag fördern Gewohnheiten und sorgen dafür, dass sich die Kinder sicher und geborgen fühlen können. So lernen die Kinder beispielsweise, die Wochentage mit Aktivitäten zu verknüpfen (z. B. montags wird immer Brot gebacken) oder den Jahreslauf anhand von Ereignissen wie saisonalen Festen kennen.
  • Freispiel
    Zwischen den im Tagesablauf fest eingeplanten Tätigkeiten in der Kita wie Essen vorbereiten, aufräumen oder festen Ruhezeiten haben die Kinder immer wieder Gelegenheit, frei zu spielen. Damit ihrer Kreativität und Fantasie keine Grenzen gesetzt werden, werden in Waldorfkindergärten vor allem natürliche, nachhaltige Spielzeuge eingesetzt, mit denen besonders vielfältig gespielt werden kann.
  • Sinneserfahrungen: 
    In der Waldorfpädagogik werden Naturmaterialien eingesetzt, da sich diese in ihrer  Beschaffenheit oder ihrem Gewicht realistisch erfassen lassen. Und da Erlerntes sich vor allem durch das Erleben mit allen Sinnen festigt, legen Waldorferzieher großen Wert darauf, dass die Kinder Dinge über unterschiedliche Sinneserfahrungen wahrnehmen können, z. B. übers Fühlen und Tasten, übers Hören von Klängen und Musik oder über die Bewegung.
  • Musik, Rhythmus und Bewegung:
    Rhythmische Sprache, Bewegung sowie Musik und Gesang sind tragende Säulen der kindlichen Entwicklung. Nach Steiner spielen Rhythmus und Bewegung eine bedeutende Rolle für das Wohlbefinden und die Balance der Kinder: Bewegung, Musik und Rhythmus sorgen für Harmonie, unterstützen die Konzentration und helfen dabei, ein Raumgefühl zu entwickeln. So können diese Elemente gleichermaßen anregend oder beruhigend wirken und haben somit auch direkten Einfluss auf die Gesundheit. Die anthroposophische Bewegungskunst Eurythmie vereint Sprache, Musik und Bewegung. Reigen, bestehend aus einfachen Versen und Melodien, gekoppelt an kleine Bewegungsspiele und machen Kindern viel Spaß und fördern das Gemeinschaftsgefühl. Zudem können die Kinder so eine eigene Körperausdruckskraft entwickeln.

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  • Kunst und Handwerk: 
    Mit den eigenen Händen handwerklich zu arbeiten ist ein elementarer Bestandteil der Waldorfpädagogik im Kindergarten. Die Kinder können frei in der Werkstatt arbeiten, plastische Werke kreieren (etwa aus Knete), Malen oder Handarbeiten aus verschiedenen Naturmaterialien anfertigen, z. B. aus Wolle.
  • Naturverbundenheit
    Im Waldorfkindergarten spielen die Kinder mit Naturmaterialien wie Steinen, Sand und Wasser und sind bei jedem Wetter viel draußen. Sie helfen beispielsweise bei der Versorgung der Tiere, ernten Gemüse und Obst und bereiten die Mahlzeiten mit vor. Dabei geben die Kreisläufe der Natur, die Jahreszeiten, im Waldorfkindergarten eine wichtige Struktur vor. Durch das Feiern typischer Jahresfeste oder das Schmücken von Jahreszeitentischen mit saisonal passenden Motiven und Farben, ergänzt um Dinge aus der Natur wie Tannenzapfen im Herbst oder frischen Blumen im Frühling erleben die Kinder Bräuche und lernen so die Eigenheiten der Jahreszeiten kennen.

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Waldorfpädagogik-Materialien und Waldorf-Spielzeug

Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten, Hören – die Natur bietet das beste Material zum Spielen und somit die besten Voraussetzungen, um Eindrücke vielfältig aufzunehmen und so optimal zu lernen. Während vorgefertigte Spielsachen oft nur einseitig verwendet werden, ermöglichen vielseitig einsetzbare Dinge den Kindergartenkindern im Waldorfkindergarten ein Maximum an Fantasie und Kreativität. Waldorf-Puppen etwa haben kein Gesicht und können entsprechend während des Puppenspiels alle möglichen Menschen verkörpern. Auch Tücher lassen sich beispielsweise universell einsetzen im kindlichen Spiel. Naturnahe Spielmaterialien und das Spielen in der Natur selbst sind wichtig für die sinnliche Wahrnehmung der Realität der Kinder.

Waldorfpädagogik: Die Rolle der Erzieher

Da Steiner der Auffassung war, dass Kinder in ihren ersten Lebensjahren vor allem durch Nachahmung lernen, kommt Waldorferzieherinnen und -erziehern die verantwortungsvolle Aufgabe zu, den Kindern als Vorbild zu dienen. Erklären müssen sie ihr Tun  jedoch nicht, da die Kinder vor allem beobachten und einfach handeln wie ihre Vorbilder. Dabei können die Bezugspersonen davon ausgehen, dass die Kinder die Fähigkeit zur Selbsterziehung in sich tragen: Sie sind also nicht auf erzieherische Interventionen von außen angewiesen, sondern benötigen lediglich eine einfühlsame, achtsame Begleitung in einer wertschätzenden und harmonischen Atmosphäre. So können die Kinder ihre Potenziale eigenständig entdecken, Selbstvertrauen aufbauen und sich frei entfalten.

Die Raumgestaltung bei der Waldorfpädagogik

Das Raumkonzept der Waldorfkindergärten sieht vor, dass die Räume sich nach den Bedürfnissen der Kinder ausrichten und ihnen sowohl Freiraum als auch Geborgenheit vermitteln. Das gelingt beispielsweise durch:

  • klare Gliederung
  • dezent gefärbte Wände
  • Vorhänge und Tücher, die den Raum in unterschiedliche Bereiche unterteilen
  • naturbelassene Holzmöbel
  • Regale, in denen jedes Spielzeug seinen Platz hat
  • Gestaltung der Räume gemäß der herrschenden Jahreszeit
  • Küchenzeile
  • vielfältig angelegten Garten

Vor- und Nachteile der Waldorfpädagogik

Wie jedes Konzept bietet auch die Waldorfpädagogik Pro und Contra-Argumente für die pädagogische Arbeit: 

Vorteile der WaldorfpädagogikNachteile der Waldorfpädagogik
ganzheitlicher pädagogischer Ansatz: Musik, Handwerk, Bewegung, Gesundheit (Leib & Seele) und Natur

individuelle Förderung der Kinder in ihrer Einzigartigkeit und Selbstständigkeit

– Fachkräfte bekommen Methoden und Werkzeuge an die Hand, um Kinder zu fördern und zu fordern

– starke Verbundenheit zur Natur
viel Raum für Kreativität und Sinneserleben

– gegenseitige Inspiration unter Waldorferzieherinnen und -erziehern
– starke Ausrichtung an Steiners Lehren, was die Gestaltungsmöglichkeiten limitieren könnte

– fester Tagesablauf möglicherweise zu eintönig

– starke Vorbildfunktion der Fachkräfte, damit einhergehend möglicherweise hoher Erwartungsdruck 

Zusatz-Ausbildung erwünscht

Für wen eignet sich die Waldorfpädagogik?

Das Waldorf-Konzept eignet sich für Pädagoginnen und Pädagogen, dieden musisch-künstlerischen Fokus, die Naturverbundenheit und den ganzheitlichen Ansatz der Waldorfpädagogik zu schätzen wissen. Das Kind mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten, seine unmittelbare Umgebung, die Natur, die Jahreszeiten und das Lernen greifen sinnhaft ineinander.

Wichtig für angehende Waldorferzieherinnen und -erzieher ist neben der Bereitschaft eine verantwortungsvolle Bezugsperson für die Kinder zu werden und als Vorbild zu agieren auch der Wille, eine enge Erziehungspartnerschaft mit den Eltern einzugehen. Die Elternarbeit nimmt in Waldorfkindergärten einen großen Teil ein, schließlich sollten die Kinder ganzheitlich im Sinne der Waldorfpädagogik auf ihrem Weg begleitet werden.

Auch das Gemeinschaftsgefühl und ein gemeinsames Verständnis von der pädagogischen Arbeit ist für viele pädagogische Fachkräfte ein Antrieb, sich für eine Waldorfpädagogik-Ausbildung zu entscheiden. Durch Begegnungen, kollegialen Austausch untereinander, gemeinsame Ideen und Inspiration  lässt sich der Tätigkeitsbereich der eigenen pädagogischen Praxis stetig erweitern.

Die Waldorfpädagogik-Ausbildung

Als engagierte pädagogische Fachkraft suchst du nach neuen Impulsen und Methoden, um die Entwicklung und Bildung deiner Schützlinge in der Kita zu fördern? Dann könnte eine Waldorfpädagogik Weiterbildung bzw. ein Fernstudium genau das sein, wonach du suchst!

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In ihrem ganzheitlichen Ansatz betont das Waldorf-Konzept die individuellen Fähigkeiten und Begabungen der Kinder und integriert dabei die Naturwissenschaften, künstlerische Aktivitäten und das freie Spiel. Du möchtest mehr Infos zum Fernstudium Waldorfpädagogik? Dann kontaktiere uns gern – wir beraten dich!